Rehkitz-Rettung aus der Luft


Das Wohl seiner Tiere und Naturschutz sind für Landwirt Heiko Terno gleichermaßen wichtig. Der Chef des AWO Reha-Gutes Kemlitz gGmbH bevorzugt beispielsweise Weidehaltung für seine Kühe, Schweine und Hühner. Und er arbeitet auf seinen Feldern mit Ackerrand streifen und Blühflächen, die insbesondere Bienen und Insekten ein großes Blütenangebot bieten.

Kein Wunder also, dass Heiko Terno auch einer der ersten Landwirte ist, die sich rund um Luckau (Dahme-Spreewald) an einem neuen Projekt zum Schutz von Rehkitzen beteiligen. Dabei sollen die jungen Tiere mittels moderner Drohnentechnologie vor dem sicheren Tod bei der Mahd geschützt werden. „Ich kann die Kitze ja schließlich nicht vernachlässigen“, sagt Heiko Terno. Er ist mit dieser Einstellung nicht allein. Das Thema Rehkitz-Rettung ist eines, das vielen Landwirten am Herzen liegt. „Und sie haben in der Vergangenheit auch viel präventiv getan“, sagt Borjana Dinewa-Zelt, Sprecherin des Bauernverbandes Südbrandenburg. Aber die herkömmlichen Schutzmaßnahmen wie das Absuchen der Flächen zu Fuß, Piper an den Mähmaschinen oder langsames Fahren würden leider nicht immer helfen. Denn Rehkitze haben die Angewohnheit, einfach regungslos im hohen Gras zu verharren statt die Flucht zu ergreifen.

Der Bauernverband Südbrandenburg unterstützt die Rettungs-Initiative des Luckauer Tierschutzvereins „Freiimfelde“ und will Drohnenpiloten und Landwirte aus der Region auf kurzem Wege zusammenbringen. „Wir sind davon überzeugt, dass Drohnentechnologie in Kombination mit Infrarotkameras effektiv dabei helfen kann, Rehkitze besser zuschützen“, sagt Sprecherin Dinewa-Zelt. Markus Künstle hat sich eigens für das neue Projekt seines Vereins eine neue Drohne angeschafft. Inzwischen ist der Drohnenpilot auch schon seit einigen Wochen im Einsatz – und hat bereits mehrere Flächen von Landwirtschaftsbetrieben abgeflogen; allein in den vergangenen zwei Wochen rund 250 Hektar. Weitere Flächen werden noch kartiert, sagt er. „Es gibt jetzt schon ein Riesen-Feedback.“ Künstle denkt sogar schon über den Kauf einer zweiten Drohne im Herbst nach. Bisher hat er noch kein Kitz geortet. Aber in den kommenden zwei Wochen dürfte sich die Lage ändern, meint er; dann bekommen die ersten Rehe wohl ihren Nachwuchs. Zugleich stehen Futterpflanzen wie die Luzerne jetzt vor dem Schnitt. Auch Landwirt Heiko Terno will sein 50 Hektar großes Luzernenfeld in den nächsten Tagen mähen. Damit Künstle das Feld zuvor nach Kitzen absuchen kann, hat Terno ihm ein Luftbild geschickt. Der Drohnenpilot rahmt das Bild, legt ein Suchraster hinein und pflegt die Daten mittels Software ein. Seine Drohne wird das Feld dann entsprechend dem Suchraster überfliegen – im Zick-zack-Kurs, in etwa 45 Metern Höhe und mit einer Geschwindigkeit von rund drei Metern pro Sekunde. Und die integrierte Wärmebildkamera wird Künstle Live-Bilder auf den Monitor der Fernsteuerung schicken. So kann der Drohnenpilot vom Feldrand aus sehen, ob sich womöglich ein Kitz im hohen Gras versteckt, die Drohne dann anhalten und im Falle des Falles tatsächlich ein Rehkitz orten.

Für die Rettung der Tiere braucht er allerdings Helfer, die ins Feld ziehen und von Künstle per Anleitung über Walkie-Talkie den richtigen Weg finden. „Für einen reibungslosen Ablauf sollten im Idealfall drei Personen den Drohnenpiloten bei seiner Arbeit im Gelände unterstützen“, sagt Bauernverbands-Sprecherin Dinewa-Zelt. Insbesondere Jäger seien aufgerufen mitzumachen. Auch Freiwillige. Oder aber die Landwirte stellen Mitarbeiter dafür frei. Wobei deren zusätzlicher Personalaufwand freilich schmerzhaft ist, wie Landwirt Heiko Terno eingesteht. Für ihn und alle anderen Landwirte gibt es bisher keine Fördermittel, wenn Drohnen nach Kitzen im Gras suchen. Aber es gibt seit Kurzem für Vereine eine Förderung für die Anschaffung der teuren Technik. Allerdings benötigen Drohnenpiloten einen Drohnenführerschein und müssen also Schulungen durchlaufen. Für den Bauernverband liegen die Vorteile einer gemeinsamen Initiative entsprechend auf der Hand: „Bei den fliegenden Wildrettern profitieren die Landwirte nicht nur vom Know-how, sondern auch ganz konkret von der Ausbildung der Drohnenpiloten. Ein schönes Beispiel, wie hier Ehrenamt und Landwirtschaft Hand in Hand arbeiten“, sagt Sprecherin Dinewa-Zelt. Der Verband wünscht sich ein langfristiges Projekt. „Perspektivisch möchten wir vor allem die Akteure besser miteinander vernetzen“, erklärt die Sprecherin. Ziel sei es etwa, dass interessierte Betriebe und Drohnenpiloten künftig auch über eine Onineplattform Mähtermine miteinander abstimmen können.
 

Fotos: GWenzel/AWO RV BB Süd e. V.
Text: Harriet Stürmer/Lausitzer Rundschau